Das 01V96 ist schon etwas betagt, prinzipiell aber nicht zwangsläufig überholt, neben dem Ersten gab es noch das V2, später das VCM, und zuletzt das 01V96i mit USB Audiointerface. Das VCM hat gefühlt bereits über 10 Jahre auf dem Buckel, und alleine wegen des Alters würde ich nur noch ein VCM oder 01V96i kaufen, für die allerdings gebraucht, im guten Zustand, noch immer recht ordentliche Preise von 800€ aufwärts aufgerufen werden.
Bezüglich des Routing und der Buse kann auch kaum ein neueres Pult unter 3k€ mehr, das sind alles 8/8/2(3) Bus Konsolen. Wird einem ein 01V96 wegen der Buse zu klein, muss man sich also generell in einer anderen Preisklasse umsehen.
Mancherorts wird behauptet das 01V96 klingt „digital“, „grob“ und „rau“, der EQ greiffe nicht gut, der Kompressor würde nicht besonders gut „zupacken“, es würde „matschig“ klingen, wenn man mehr als 16 Kanäle benutze.
Das größte Manko am 01V96 ist jedoch meiner Meinung nach, dass 31 Band EQs im Ausgang fehlen, mit einem 4 Band PEQ geht zwar auch viel, wenn das System und der Raum nicht komplett Grütze sind, aber für richtig grobe, hässliche Operationen reicht es eben nicht. Da braucht es dann externe Geräte, je nach Preferenz frisst das ordentlich Transportvolumen, oder eben nicht.
Hier wäre ein Yamaha TF oder X32 zwangsläufig deutlich im Vorteil.
Die Bedienung über Pfeiltasten und nur einem Encoderrad ist am 01V96 nervig, weil es sonst nur für den EQ dedizierte Bedienelemente gibt, und alle anderen Parameter darüber gesetzt werden müssen, allerdings ist das bei vielen anderen Pulten eher niedriger Preisklasse nicht besser gelöst.
Legt man sich im Pult sinnvolle Presets für Kompressor und Gate an, reduziert sich der Aufwand insgesamt deutlich, ebenso wie mit einem vorbereiteten Routing. Generell sollte man sich beim Digitalpult davon verabschiede, erst vor Ort seine Kanäle zu patchen und routen, je weniger Zeit man hat, und je komplexer das Pult ist, desto mehr geht das Vorhaben in die Hose.
Generell ist das 01V96 bei der Bedienung eine Mischung aus Windows 3.1 und Gameboy.
Ein weiterer negativer Punkt am 01V96 ist, dass „Showfiles“ nur über einen externen Rechner geladen und gespeichert werden können, einfach einen USB Stick in‘s Pult stecken und laden ist nicht, im Speicher des Pults ablegen geht auch nicht (wirklich).
Der Workaround ist es, sich Szenen mit verschiedenen Belegungen im Pult abzulegen, um verschiedene Situationen abdecken zu können. Das funktioniert jedoch nur solange man selbst nicht mit verschiedenem Szenen in einer Show arbeiten will, oder ein zweiter Tonler seine eigene Show in das Pult laden will. Da ist man dann wieder beim Laptop als externem Speicher.
Ebenso doof sind die Vorverstärker am 01V96, die nicht automatisiert sind, also immer von Hand gesetzt werden müssen. Hat man viele wiederkehrende Shows, ist das zwar kein großes Hindernis, aber eben doch ein Nachteil.
Zudem sind nur 12 der analogen Eingänge am 01V96 Mikrofoneingänge über XLR, die restlichen 4 sind Line Ins auf Klinke, die keine Phantomspeisung ausgeben, und kaum Gain können (+26dB vs. +60dB der Mic Ins).
Das zwingt einen jedoch dazu hieran entweder sehr laute Quellen via dynamischer Mikrofone anzuschließen (Snare, Kick und Toms gehen z.B. meistens, wenn es
kein filigraner Jazz ist), via passiver/non48V DI Line Quellen von der Bühne in‘s Pult zu holen (Keyboards z.B.) oder andere Line Geräte dort anzuschließen (CD Player, Handy etc.).
Das ist zwar keine große Einschränkung, viele andere Pulte haben diese auch, bedacht werden sollte es dennoch.
Schön ist dagegen, dass man das 01V96 gut erweitern kann. Insgesamt kann es bis zu 32 Kanäle Mono plus 4 Stereo (16 Analog intern, 8 extern via Adat, weitere 16 extern via Erweiterungskarte).
Man kann mit einem kleinen 19“ Pult also eine enorme Bandbreite abdecken. Frage ist ob man das will, oder angenehm findet, nur möglich ist es, jedoch sind auch die Gains von extern angebundenen PreAmps nicht (wirklich) automatisierbar.
Das ist beim Klassiker Behringer ADA8000/8200 recht egal, und auch bei annähernd jedem anderen über ADAT angebundenen externen PreAmp, jedoch bei Yamaha Stageboxen via Ethersound Karte doof, und auch bei Preamps mit Remote Gain Option unschön. Andererseits ist es untypisch derart hochpreisige Geräte an einem 01V96 zu betreiben.
Ein großer Vorteil am 01V96 sind z.B. die Fader und Mute Gruppen sowie die frei belegbaren Tasten, und die Custom Fader Layer, mit denen man sich Mute und VCA-Gruppen nachbauen kann.
Letzteres war, neben der Erweiterbarkeit um 24 Kanäle, der Grund für mich ein 01V96 und kein LS9-16 als kompaktes 19“ Pult zu kaufen, bei dem man keine VCA Gruppen faken kann, und das nur um 16 Kanäle erweiterbar ist.
Mittlerweile interessant wäre das DM1000, das um 32 Kanäle erweiterbar ist, 16 echte Mikrofoneingänge besitzt, und insgesamt etwas hochwertiger als das 01V96 ist, zudem kann es externe Vorverstärker und Stageboxen ansteuern.
Das LS9 hätte den Vorteil, dass es bereits über interne GEQs verfügt und die Buse frei als Aux/Subgruppe definiert werden können und komplett recallbare Vorverstärker besitzt, externe Stageboxen können wie ein Vorverstärker im Pult angesteuert weden, bedacht werden sollte, dass im LS9 4 GEQs zur Verfügung stehen, und noch weitere 4 Effektracks, die als GEQ
oder für Effekte genutzt werden können.
Da für mich remote Vorverstärker und externe Stageboxen preislich uninteressant sind, leistet ein 01V96 seit annähernd 10 Jahren gute Dienste. Das ist in einem 19“ Rack verbaut, mit einem Alesis DEQ 830 (8 Kanal digital GEQ), und einem Behringer ADA8200, beide am internen ADAT Eingang/Ausgang, sowie einem Behringer DEQ2496 am S/PDIF Ausgang vom Pult.
Über ein 20Ch Multicore laufen 14 Kanäle direkt in‘s Pult, 4 Returns kommen vom Alesis DEQ für Monitoring, die Stereo Summe aus dem Behringer DEQ wahlweise analog oder digital über AES/EBU.
Ein zweites 20Ch Multicore fährt optional für größere Jobs mit, davon laufen 8 Kanäle im ADA8200 auf, weitere vier Returns speist der Alesis DEQ, acht Kanäle sind unbenutzt, bzw. für einen zweiten Behringer ADA vorgesehen, jedoch war der bisher selten nötig, und ist dementsprechend nicht fix verbaut.
Im Erweiterungsschacht des 01V96 steckt eine 16Ch ADAT Karte, die mit einem Audiointerface verbunden ist. Über das können 16 Kanäle/Gruppen/Buse mitgeschnitten werden, oder auch etwas zusätzliches Processing mittels Waves Plugins erfolgen.
In seltenen Fällen benutze ich diese Karte auch, um ein zweites 01V96 zu kaskadieren, und mehr Fader/Inputs (16/24) zur Verfügung zu haben, oder eben als Input für zwei zusätzliche ADAs (16Ch).
Damit bin ich bisher immer gut gefahren. Da das Pult nichtmehr ganz jung ist, sind die Tage dieser Kombination natürlich gezählt.
Ob es mittlerweile noch sinnvoll ist, ein so umfangreich erweitertes 01V96 anzuschaffen, ist allerdings fraglich, da die Preise der Komponenten, selbst gebraucht, gleichauf mit denen eines umfangreicher ausgestatteten Digitalpults, wie z.B. dem X32 sind.
Vor fast 10 Jahren sah das noch anders aus, jetzt macht es bestenfalls noch Sinn, wenn man andere Yamaha Pulte besitzt und die Infrastruktur mitbenutzen kann.
Ob man die ganzen externen Geräte am Pult überhaupt benötigt, steht auch auf einem anderen Blatt. Ich kann mich seltenst daran erinnern, die 31 Bänder ernsthaft benutzt zu haben, die Waves Plugins sind auch mehr Spielerei, obwohl oft zerissen finde ich nicht, dass es am Processing im 01V96 viel zu bemängeln gibt, auch die Effekte sind brauchbar, nicht toll, aber brauchbar.
Prinzipiell könnte zumindest ich auf alles verzichten, um was mein Pult erweitert ist, ausser den 8 Kanal PreAmp.
Benötigt man also nur ein kleines Pult mit integrierten Dynamics und umfangreichem Routing, kann der Kauf eines gebrauchten 01V96 noch immer lukrativ sein, zumindest lukrativer als ein Analogpult oder diverse Ipad Lösungen