Also erst mal was zu Xmax allgemein:
Xmax (ich nenne es das Lineare) wird berechnet mit Wickelhöhe - Spalttiefe durch 2, da alle Angaben mit X immer +- enthalten, also vor und zurück sind,
anders wäre hier unter anderem Peak to Peak, das würde die gesamte Auslenkung angeben, z.B. Peak2Peak 35mm, entspricht Xdamage 17,5mm
18s und Co geben ihr Xmax (die nennen es mathematisches Xmax) ja leider nicht linear an mit (Hvc-Hg)/2, sondern rechnen noch 1/4 Spalttiefe mit drauf,
somit (Hvc-Hg)/2 + Hg/4, Faital sogar Hg/3.
Dies entspricht über den Daumen ein um circa 30-70% höheres Xmax, je tiefer der Spalt, desto höher.
Beispiel Eminence Kappalite 3015LF:
Hvc 25,4mm
Hg 9,271mm
Xmax Linear 8,065 mm
Xmax THD10 9,6 mm (+19%)
Xmax laut 18s 10,38 mm (+29%)
Xmax laut Faital 11,16 mm (+38%)
THD10 entspricht dem geklippelten Xmax, dieses wird messtechnisch ermittelt bis 10% Verzerrungen erreicht werden,
entweder per THD oder per K3. Dies macht z.B. Eminence, zum Teil auch Sica.
Wie ich gelesen habe, hätte die AES gerne, dass dies das Standard-Verfahren für alle wird, was ich persönlich auch für
sinnvoll halte, da es recht praxisnah ist, denn mit 10% gibt man (oft) allgemein auch das MaxSPL an.
Was passiert nun oberhalb des linearen Xmax?
Die Spule befindet sich nicht mehr komplett im Spalt (also zwischen der Polplatte),
somit nimmt die Kühlung rapide ab, die Verzerrungen steigen rapide an, das BL nimmt massiv ab.
Das hat zur Folge:
- Die VC erwärmt sich extrem schnell (die Impedanz steigt), dies führt zu Power Kompression und somit weniger MaxSPL
- Verzerrungen steigen rapide an.
- BL nimmt ab, somit wesentlich weniger Kontrolle, bzw. unkontrollierter Sound und Verhalten
- Alles zusammen führt auch zu einer Nulllagenverschiebung (DC Displacement) im Betrieb und kann auch Spätfolgen haben, sprich
eine Dauerhafte Nulllagenverschiebung, somit Chassis defekt.
Zur Nulllagenverschiebung:
Wir rechnen mal, dass die Nulllage "nur" 1mm verschoben ist, sei es jetzt im Betrieb oder dauerhaft,
Dann werden die 8,065mm zu nur noch 7,065mm, heißt es fehlen direkt 12%.
Statt z.B. 560W, sind wir nun bereits ab 430W am Limit.
Kann ein Chassis nun über's lineare Xmax?
Ja und nein
Das eine (moderne) Chassis hat hier keinerlei Probleme dauerhaft +30% zu arbeiten,
das nächste kann es viele Einsätze lang, stirbt dann aber ganz plötzlich.
Das nächste ist sehr empfindlich und stirbt schon nach wenigen Einsätzen, idR. durch DC.
Die modernen Chassis sind auch extrem progressiv eingespannt, damit soll DC verhindert werden, aber "der schleichende DC-Tod",
wird irgendwann dennoch kommen, wenn auch erst recht spät. (Erkennt man recht gut, an einseitig abgefackelten Spulen, sofern's mechanisch überlebt hat)
Ein rein mechanischer Tod kann ebenfalls folgen, z.B. reißt die Spider ab, der Spulenträger, die Pappe oder Sicke knickt um, oder die Membran reißt.
Oder die Einspannung leiert total aus, Spider und/oder Sicke. Man denke an ne Feder eines Kugelschreibers, zieh das Ding auseinander, geht's nie wieder zusammen.
Ich persönlich Simuliere immer bis zum Linearen Xmax, dieses sehe ich als Dauerbetrieb an, auch für Limiter.
Alles was drüber ist, kann man für Peaks nutzen, aber nicht dauerhaften Betrieb, wobei ich hier
über den Daumen 10-15% als unkritisch ansehe, was oftmals (In Ausnahmen auch 20%) den geklippelten 10%-Werten entspricht.
Auf das letzte dB kann und sollte man wie ich finde verzichten und dafür lieber einen sauberen und sorgenfreien, langlebigen Betrieb anpeilen.
Zum BR115 mit 15W700:
Das Chassis hat 6,5mm Xmax, Hvc und Hg sind leider im Datenblatt nicht ersichtlich,
somit schätzen wir entweder mit Erfahrungwerten:
3" VC hat oftmals 10mm Hg, Hvc dann 18mm. (18-10)/2 + 10/4 = 6,5mm
Xmax Linear sind dann 4mm.
Alternativ ziehen wir über den Daumen 35% von 6,5mm ab = 4,2mm
Da der 15W700 nur für einfache Bässe ist, eher aber für Mehrwegsysteme und auch nur 450W rms aufweist, halte ich die 4mm schon für realistisch,
Wenn wir's gut meinen, dann nehmen wir einfach mal 4,5mm als lineares Xmax an.
Simulieren wir jetzt den BR115 damit, samt passendem 38Hz Hochpass,
erreichen wir das lineare Xmax von 4,5mm bereits ab 175W. Die Peaks sind dabei bei 33Hz und 70Hz
Packen wir für die Praxis 15% oben drauf (Siehe klippel) sind 215W drin bis 4,95mm.
Die 6,5mm laut Datenblatt erreichen wir dagegen mit 370W.
Da jetzt 175W bei einer 3" VC nicht so sonderlich viel sind, haben wir da mit Erwärmung sicher noch recht wenige Probleme,
da sind ganz sicher viel mehr drin, auch wenn wir oberhalb Xmax betreiben.
Ob das ganze mechanisch gesehen aber gesund ist, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Beispiel 700W Amping:
Endstufe clipt leicht an, somit sind wir sicher, dass hier auch 700W anliegen bei Peaks (Ähnlich wie Peaklimiter auf 700W).
Dann wird der durchschnittliche Pegel so bei -6dB liegen (6dB Dynamik für Peaks sind praxisgerecht),
so liegen im Schnitt nur 175W an, was genau passt, bei Peaks erreichen wir dann aber ganze 8,9mm Xmax.
Das ist natürlich mega ungesund, auch wenn's "nur" 50% von Xdamage entspricht.
Ich erachte solch einen Betrieb als nicht sonderlich gesund, ist bei solch einem Chassis aber dann etwas weniger kritisch als bei
einem, was z.B. 1kW AES bekommt. Vor allem wenn das Signal wenig Crest aufweist (fällt mit steigender Komprimierung/Limitierung),
kann das ganze sehr schnell in die Hose gehen.
Die Frage ist also nur, wie lange es das Chassis noch überlebt. Je weniger Peaks es bekommt, desto besser,
das hieße bei z.B. Livemusik lebt das Ding sicher 100 Einsätze, bei Disco nur 50.
Ein Chassis hat quasi 3 Belastbarkeiten, eine Thermische, eine Mechanische und die Elektrische.
In diesem Fall hier sehe ich bei Livemusik nur die mechanische als kritisch an, die anderen 2 folgen dann im Grenzbetrieb und/oder bei komprimierter Musik.
Je weniger Bassanteile auf genau 70Hz liegen, desto länger hält das Chassis. Oberhalb 88Hz und unterhalb 60Hz haben wir schon 1mm weniger Auslenkung.
PS: Die AES Belastbarkeit wird übrigens schon mit 6dB Crest per PN ermittelt
Offtopic/Spekulation:
Mich verfolgt da immer so ein Gedanke, wieso solch hohes Xmax angegeben wird und die Chassis immer progressiver eingespannt und der DC-Tod
nach hinten geschoben wird (zeitlich verlängert).
Der Hersteller muss ja auch von etwas leben, halten die Chassis ewig, wird nix mehr verdient
Stirbt ein Chassis recht schnell, wie ein 15P200AK, ist sofort klar, dass es falsch betrieben wurde, passiert dies allerdings erst nach 1-4 Jahren,
wird da nicht hinterfragt und einfach Ersatz beschafft.
Edit:
Gerade einen netten Test von Vance Dickason über den neuen Emience Tourgrade 21" gelesen, NSW6021-6. Samt Klippeldaten.
Hvc 48,26mm
Hg 19mm
Xmax linear also: 14,63mm
Xmax Datenblatt: 21mm
VC: 6" mit 2,5kW AES
Klippel gibt hier noch Limits an bei 70% des BL, was 18,8mm wären
und 50% CMS, dann 21,4mm.
Ab knapp 14,3mm gibt's dann ein Offset der Spule, was in diesem Fall aber sehr gering ausfällt,
aber hieran sehen wir wieder, was passiert, wenn wir an die Grenze vom linearen (er nennt es physisches) Xmax gelangen: Unsymmetrie.