heute widmen wir uns dem Thema Xmax, als Fortsetzung vom Thema
Der Lautsprecher - Einzelteile & Funktion für Einsteiger
Eigentlich eine simple Geschichte, oder doch nicht?
Oft diskutiert, oft aber auch zu wenig beachtet, oft herrscht Verwirrung und Fragen tauchen auf.
Begriffserklärung in kurz:
Xmax - Physikalische Auslenkung in mm, je Richtung und
bei Überhang (üblich): die Wicklung den Spalt nicht verlässt / bei Unterhang: Zwischen der Polplatte bleibt
Da es aber diverse Rechenmethoden gibt, steht Xmax mittlerweile eigentlich für "Max Auslenkung mit niedrigen Verzerrungen"
Xlin - sollte eigentlich das gleiche wie Xmax sein, da es aber diverse Rechnenmethoden gibt, entsprich Xlin (linear) vorigem Text von Xmax
Xlim - Lim steht für Limit", entweder ist hier ein mechanisches Limit erreicht, oder der Kurzschlussring verhindert weitere Auslenkung
Xmech - Ähnlich Xlim, hier ist das mechanische Limit erreicht, ab hier entstehen Schäden mechanischer Art, z.B. Anschlag an der hinteren Polplatte
Xdamage - Wie Xmech, auch ab hier entstehend mechanische Schäden
Peak2Peak - Wie Xdamage, jedoch zählt hier der gesamte Hub, also Vor+Zurück, so entspricht der Wert dem Doppelten von Xdamage
Xvar - Diesen Wert geben manche Hersteller an, idR. beschreibt er, ab wann mindestens ein Parameter nur noch 50% seines Wertes aufweist, z.B. BL, CMS, KMS o.Ä.
Es gibt 3 Grund-Aufbauarten, bzw. Spulenarten, die Überhangspule und die Unterhangspule sind die wohl Bekanntesten.
man findet aber auch Bauarten vor, bei welchen Polplatte und Wicklung die gleiche Höhe aufweisen.
Ganz klassisch ist die Überhangspule, diese ist höher gewickelt als die Polplatte und nur ein Teil der Wicklung befindet sich Magnetfeld.
Bei der Unterhangspule, ist die Wicklung kleiner als die Polplattenhöhe, somit befindet sich die Spule immer im kompletten Magnetfeld.
Die Formel dafür ist quasi identisch, üblicherweise bietet dieser Aufbau wesentlich weniger Auslenkung.
Beide Arten haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile. Dies zu erläutern, würde diesen Artikel aber sprengen, gerne dürft hier hierüber aber diskutieren

Schauen wir uns das Ganze mal anhand eines üblichen Überhang-Systems mal genauer an:
Xmax
Wir sehen in rot die obere Polplatte, dazwischen befindet sich die Schwingspule.
Sie sitzt genau in der Mitte, dies nennt man den Nullpunkt, oder Nulllage, oder Ruhelage, hierhin "fährt" die Membran/Spule immer zurück,
also in die Ausgangs- oder Ruheposition.
Im unteren Bild sehen wir wann Xmax erreicht ist, sobald die Spule das "Ende" der oberen Polplatte erreicht, also noch nicht den Spalt verlässt.
Somit können wir das sogenannte physikalische (linare) Xmax ganz leicht errechnen:
(Wickelhöhe "Hvc" / Polplattenstärke "Hg") /2
H steht für "Height", vc für "VoiceCoil" (teils auch nur Hv) und g für "Gap" (Luftspalt-Tiefe)
Z.B. eine Wickelhöhe von 10mm, 5mm Polplattenstärke: (Hvc-Hg)/2 -> Xmax = (10-5)/2 = 2,5mm .
In anderen Quellen liest man dagegen wieder; Xmax entspricht der maximalen Auslenkung mit wenig bis sehr wenigen Verzerrungen.
Ahja, toll....
Xlin
Sollte eigentlich das Gleiche wie Xmax sein, die lineare Auslenkung, ohne Überschreitung des physikalischen Xmax.
Xlin (X Linear) wird oftmals leider nicht angegeben.
Wird Xmax anders als üblich ermittelt, finden wir im Datenblatt auch teils Xlin, was dann dem physikalischen (linearen) Xmax entspricht.
Xmax 10%
Dieser Wert wird "Geklippelt". Dies heißt, es wird die Auslenkung ermittelt, bis ein gewisser Wert THD (Gesamte harmonischen Verzerrung) oder
eine Modulationsverzerrung n-ter Ordnung (z.B. K2 oder K3) erreicht werden.
Dieser Wert entspricht einer maximalen Verzerrung von 10%. Der Hersteller muss allerdings angeben, ob per THD oder z.B. K3 ermittelt wurde.
Diese Prozedur ist mittlerweile im IEC PAS 62458 (AES) drin, der erweiterte Abschnitt zum Xmax wurde von W. Klippel erweitert.
Leider gibt's hier (noch) keine Bezeichnung für, sondern wird einfach als Xmax gekennzeichnet, was vermutlich auch so bleiben wird.
Somit meine Vermutung:
Künftig wird "Xmax" der Klippel-Methode entsprechen und dazu evtl. noch Xlin mit angegeben (oder eben separat im Datenblatt Hg und Hvc)
Xlim
Xdamage, Xlim, Xmech oder Peak2Peak kann verschiedene Limits haben,
z.B. ab wann der Schwingspulenträger an die untere Polplatte anschlägt, ab wann die Spider, der Träger oder die Sicke abreißt, bzw. Schaden nimmt,
oder sonstige mechanische Grenzen erreicht werden, so dass Schäden auftreten. Dieser Wert sollte tunlichst nicht erreicht werden.
Moderne Chassis können sogenannte Kurzschlussringe haben, diese sollen mechanische Schäden verhindern in dem sie ab einer gewissen
Auslenkung einen Kurzschluss verursachen (oder die elektrische Verbindung trennen).
Xvar
Ich finde diesen Wert rein informativer Natur, wirklich anfangen können wir damit nicht so viel,
wir wissen nur, dass ab hier mindestens ein Paramater, wie Antriebskraft, Nachgiebigkeit, Magnetfeld etc. nur noch 50% seines Ausgangswertes aufweist.
Im Regelfall befinden wir uns hier in einem Bereich, den man am besten nicht erreichen sollte, je weiter Xvar und das physikalische Xmax auseinander liegen, je besser,
desto weiter kann man das physikalische Xmax theoretisch überschreiten.
Xmax richtig ablesen
Wir haben hier leider ein Problem: Xmax entspricht nicht Xmax. Warum?
Viele Hersteller schreiben im Kleingedruckten z.b. "Xmax entspricht "(Hvc-Hg)/2 + Hg/4"
Somit wird hier einfach 1/4 Spalttiefe oben drauf gerechnet, das machen recht Viele, wie 18 Sound, B&C usw. Faital rechnet sogar 1/3 oben drauf.
Bei Eminence müssen wir sogar nachfragen, da das Kleingedruckte je Chassis fehlt, idR. ermittelt Eminence das physikalische/lineare oder es wird "geklippelt", sprich 10% THD.
Bei Sica schaut das ganze ähnlich aus, jedoch finden wir idR. im Kleingedruckten wie ermittelt wurde.
18 Sound nennt das ganze im Kleingedruckten dann "Mathematisches Xmax", meiner Meinung nach müsste dies "Xmath" heißen, aber das macht keiner

Lösung: Wir suchen im Datenblatt die beiden Punkte "Wickelhöhe" und "Spalttiefe/Polplattenhöhe" und nutzen die Rechnung (Hvc-Hg)/2
Was passiert oberhalb des physikalischen Xmax
Die Schwingspule tritt zu weit aus dem Magnetfeld raus, hieraus resultiert Verschiedenes.
Viele Parameter verringern sich, vor allem aber der Antrieb (BL) und Nachgiebigkeit CMS, bzw. Steifigkeit KMS.
Die Nulllage im Betrieb verschiebt sich nach vorne oder hinten (was in weniger Xmax resultiert)
Auch verschiebt sich die Symmetrie (Werte bei positiver und negativer Auslenkung differieren)
Die VC wird weniger gut gekühlt, was zu höherer Powercompression führt.
*Hier zu kann ich nur empfehlen mal die VoiceCoil zu abonieren, die machen dort super Klippel-Tests von Einzelchassis.
Zusammenfassend kann man sagen:
- Verzerrungen steigen enorm
- Das Chassis wird schlechter kontrolliert (Sound wird "wabbeliger")
- Die Belastbarkeit nimmt ab, bzw. weniger SPL bei gleicher Leistung
- Risiko für Defekte steigt rapide
So, kann und sollte man nun ein Chassis oberhalb seines Xmax betreiben?
Ja und nein, es kommt immer schwer auf das Chassis an, wie weit darüber man es quält und auch wie lange (Peaks oder Dauerlast).
Bissel über Xmax schadet nicht großartig, zu weit drüber aber schon. Somit finde ich die Klippel-Methode mit +10% Verzerrungen schon echt praxisnah.
Dennoch bin ich der Meinung, dass man diesen Wert nur als Peaks nutzen sollte.
Heißt also: Beim Setzen des Limiters nicht nur die elektrische Belastbarkeit betrachten, sondern auch die Mechanische (und natürlich auch die Thermische).
Lesen wir diverse Testberichte, gibt's natürlich auch Ausnahmen, die ihre 10% schon ab Xlin oder vorher erreichen, eher aber ab 5-10% oberhalb Xlin.
Peaks im Bereich des Xmax +10% sind idR. noch ok, weit drüber kann aber auf Dauer zu Schäden führen, mindestens mal zu schlechtem Sound,
das ein oder andere HighEnd-Chassis mag hier auch mal die +15% verkraften, auf Dauer sehe ich das aber nicht als gesund an.
Um das mal zu verdeutlichen, anhand des Kappalite 3012LF (Werte gerundet)
Hvc: 25,4mm
Hg: 9,2mm
Xmax Linear: 8,1mm
Xmax laut Eminence (10% THD): 9,1mm (+12%)
Xmax laut 18s: 10,39mm (+28%)
Xmax laut Faital: 11,15mm (+37%)
In Klammern dahinter: Auslenkung zu Xlin
Ein bekannter, aber oft leider ignorierter Fehler, ist das sogenannte DC-Displacement,
also die Verschiebung der Nulllage. Im Betrieb passiert das oft und ist auch nicht so mega tragisch, sofern es nicht ausartet,
aber betreibt man seine Chassis oft oberhalb ihres Xmax, bzw. an deren Limit (mechanisch und elektrisch) kann es auch zu einer dauerhaften Verschiebung (also außerhalb vom Betrieb) der Nulllage kommen.
Hier heißt es dann nur noch: Reconen
Das ganze kann das so ausschauen:
Eine Verschiebung um "nur" 1mm kann zur Folge haben, dass aus linearen 7,5mm nur noch 6,5mm werden,
werden die 7,5mm bei 1000W erreicht, erreichen wir die jetzigen 6,5mm bereits ab 700W.
Mit 1000W hätten wir, zumindest einseitig, eine Überschreitung um 1mm, was ganzen +13% entspricht.
Von den ganzen entstandenen Unsymmetrien mal ganz abgesehen.
Moderne Chassis sind super progressiv aufgehängt, dies soll u.a. DC-Displacement verhindern oder zumindest minimieren,
das kann im Betrieb gut funktionieren, jedenfalls innerhalb des Xmax, aber auch das beste Chassis erleidet irgendwann den DC-Tod,
was besonders ärgerlich ist, wenn dies erst nach 40-50 Einsätzen passiert "Wieso is das Ding denn jetzt tot, ich betrieb's doch wie immer?!"
Auch soll diese super harte Aufhängung als quasi Notbremse ein Anschlagen der Spule verhindern (was auch gut klappt), führt dafür aber allerdings wieder
dazu, dass die Membran knickt (Knickrand) oder reißt. Vor anderen mechanischen Schäden muss es ebenfalls nicht zwingend schützen.
Defekte durch DC erkennt man an einseitig verkohlten Schwingspulen.
Im Bild sind 2 aufeinander gestellt, leider hatte ich kein anderes parat,
ist auch kein sehr gutes Beispiel, denn idR. schaut das wesentlich schlimmer und besser zu erkennen aus.
Hier sehen wir einen Knickrand, direkt unter der Sicke.
Sowas kann z.B. passieren, wenn die Aufhängung (idR. die Sicke) den maximalen Hub begrenzt,
dieser muss auch nicht ringsrum identisch ausfallen, denn es kann durchaus sein, dass die Membran "getaumelt" hat, also in Schräglage war.
Zusammengefasst:
Wir sollten uns immer an das physikalische (lineare) Xmax für jegliche Berechnungen halten, maximal 10-15% drüber für Peaks.
Warum Hersteller das Xmax mit +Hg/4 oder +Hg/3 künstlich aufblähen können wir nur Erahnen,
vermutlich zwecks der Größeren Zahl, weil: mehr ist für Werbung immer besser.
Oder ein selbst ermittelter Durchschnitt, ab wann "noch vertretbare" Verzerrungen entstehen,
aber vielleicht auch mit dem Hintergedanken weitere Chassis oder Reconekits verkaufen zu können

Meine Erfahrung ist, dass je weniger Belastbarkeit ein Chassis hat, desto weiter könne wir über's Xmax dauerhaft hinaus,
aber dies müssen wir je nach Chassis einfach selbst im Dauerbetrieb testen, ein gute Beispiel wäre hier der 12-280W, der rein Subjektiv ne ganze Ecke drüber kann,
aber wie ich finde da auch ne große Ausnahme darstellt (und wenn was is, isser eh super günstig zu ersetzen)
Es bringt uns ja idR. eh wenig ein Chassis oberhalb seines Xmax zu betreiben, das sind am Ende vielleicht nicht mal 2dB mehr Pegel,
die wir sowieso nicht aushören. Klingt es lauter, sind es normalerweise einfach die höheren Verzerrungen, oder es klingt subjektiv "fetter",
da unser Parameter, wie Antrieb und Steifigkeit abnehmen (Kontrolle nimmt ab).
Was ist also wichtig für uns?
Xlin, oder Hg und Hvc. Dies sollte meines Erachtens jeder Hersteller abdrucken!
Xmax nach Klippel bzw. 10% finde ich dagegen auch super, vor allem als zusätzliche Angabe.
Xmax mit "einfach so mal" 1/4 oder 1/3 Spalttiefe draufgerechnet braucht kein Mensch, das ist meiner Meinung nach ne reine Werbeangabe.
Die ganzen "Xlimits" sind mal interessant zu lesen, bringen uns aber eigentlich wenig, ähnlich wie Xvar, wobei das eigentlich noch interessanter ist.
Das Wichtigste ist: Immer schauen wie Xmax ermittelt wurde, steht's nicht auf der Website, dann ggf. im Datenblatt oder ist auf einer Infoseite beim Hersteller versteckt.
(Leider muss man auch manchmal nachfragen, siehe Eminence oder 18 Sound)
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Vielen Dank für's Lesen.
Nun sind die Diskussionen & Fragen hierzu eröffnet.
Habe ich was vergessen? Gerne Update ich den obigen Artikel