es wird Zeit, ein erneutes 042-Topteil auf die Welt loszulassen. Nach etlichen Limmer P3/P2, Standalone-042, 042 mit FLH, 042 mit 18er, 042 mit Quad/Dual-8ern, 042 mit was weiß ich was, habe ich mir auch mal gedacht: Ich bau was mit dem schönen Flare.
So gern ich auch selbst ein Flare entwickelt hätte, habe ich am Ende aufgrund eingeschränkter Fertigungsmöglichkeiten einfach die Finger davon gelassen. Auch wenn Hochton Hornentwicklung noch so viel Spaß macht und es unglaublich rewarding ist, wenn man frisch vom Drehteller ein paar knackige Isobaren sieht.
Also erstmal zur Frage: Warum eigentlich 3 Wege?
Eigentlich ist das Ganze recht logisch, ganz kurz erklärt: Beim 2-Wege-Design gibt der Tiefmitteltöner (wie es auch im Namen steht) Tiefton und Mittelton wieder → Tiefton = Hub, Hub im Mittelton = doof. Warum? Ziemlich simpel: Das Chassis verhält sich über seine Auslenkung leider nicht linear. Die Motorkraft nimmt ab, die Aufhängung wird steifer, die Induktivität verändert sich etc. Im Worst Case ist das Verhalten (gerade im Motor und in der Aufhängung) auch noch nichtlinear und provoziert zusätzlich DC Offset im Betrieb. Verändern sich diese ganzen Parameter im Betrieb, sorgt das für Klirr und Intermodulation, was doof ist.
Natürlich gibt es diesbezüglich bessere Chassis bzw. Chassis mit besserem Großsignalverhalten, z. B. die NTLW-Serie, welche genau darauf optimiert ist. Aber am Ende ist es egal: Ein dedizierter Mitteltöner, der z. B. ab 500 Hz spielt, verändert seinen Arbeitspunkt deutlich weniger als ein TMT, was letztlich in deutlich geringeren Änderungen der Kleinsignalparameter im Großsignalbereich resultiert.
Ein weiterer Vorteil ist, dass wir einen horngeladenen 6,5Zöller an einer gut entwickelten Flare mit passender Horngeometrie deutlich höher spielen lassen können als z. B. ein 15 Zoll Chassis, ohne Einbußen in der Abstrahlung zu haben.
Die Entlastung des Hochtons erzeugt zusätzlich weniger Klirr, da ein Kompressionstreiber einfach konstruktionsbedingt im gleichen Frequenzband mehr Klirr erzeugt. Ebenso erlaubt es aufgrund der höheren Trennung kleinere Hochtöner zu nutzen, was im Vergleich zu großen Deckeln in „mehr Auflösung“ resultiert. Außerdem liegen die Schallentstehungsorte von MT und HT im besten Falle quasi gleich, was eine leichtere Beweichung ermöglicht.
Dadurch, dass der TMT nicht wirklich weit hochspielen muss, gibt das mehr Designfreiheiten bei der Anordnung von TMTs, so das bandpassartige Designs problemlos realisierbar sind und sich ein TMT in einer Bandpass-Vorkammer nicht mehr bis zur Trennung hochquälen muss, nur damit sich der Hochtöner von der anderen Richtung genauso runterquälen muss (K24 Hust Hust).
Summa summarum:
Weniger Klirr/IMD
bessere Directivitykontrolle (gerade indoor nett)
deutlich mehr Dynamik und Pegelreserven im MT, gerade bei Live-Musik nett.
Also warum das 042?
Auch wenn das 042 schon echt alt ist, ist es aus moderner Sicht immer noch sehr gut:
Die Hochton Hornsektion hat eine ziemlich starke Expansion am Hals, was in weniger Wavesteepening (was ebenfalls Klirr verursacht) resultiert. Ebenso gibt es keinen reudigen Diffspalt (Diffraktionsspalt Hörner), welcher nur HOMs (Higher Order Modes gerne mal googeln) erzeugen würde und mit steigendem Pegel einfach nur nervig klingt. Außerdem ist das Hochtonhorn gut dimensioniert und anders als beim 870QX liegen die Schallentstehungsorte auch hier quasi gleich.
Zusätzlich besitzt das Horn im Vergleich zu vielen modernen Hörnern keine künstliche Halsverlängerung (einfach ein Rohr am Hals mal drauf achten, sieht man oft), welche genutzt wird, um die Ladung zu erhöhen, auf Kosten eines unschönen akustischen Impedanzverlaufs und zusätzlich erhöhtem Klirr aufgrund des starken Drucks im Hals.
Die Mitteltonsektion ist ebenfalls gut, die Kompression ist nicht zu stark und die Richtcharakteristik stimmt auch. Leider ist der Ciare, welcher aufgrund seines brutalen Masse-Antriebs-Verhältnisses in Kombination mit einer sehr steifen Membran echt gut performt, inzwischen ausgelaufen. Glücklicherweise konnte ich noch zwei Treiber erwerben. Der Beyma ist einfach zu teuer, der 18Sound performt irgendwie nicht so gutm ich vermute, es liegt an einem suboptimalen Phaseplug Design. Der PHL… keine Ahnung, davon habe ich noch nicht gehört, dass ihn irgendwer nutzt. Der Ciare ist einfach tried and proven, was im PA-Bereich ja durchaus wichtig ist.
Bestückt wird das Ganze mit BMS5530HE-8 und Ciare 6.38MR3, welcher in einer ultra-kompakten Rückkammer sitzt, mit offener Polplatte zur zusätzlichen passiven Kühlung.
Die TMT-Sektion
Von FLH über Quad 8er in MTM Anordnung mit Bandpass Vorkammer über 15er Treiber bis hin zu Quad 8ern „konventionell“ wie bei Ralle habe ich mir eigentlich alles mal durch den Kopf gehen lassen und ausgiebig in Akabak simuliert. Davon werde ich einfach mal ein paar Bilder einfügen. Warum es am Ende Doppel10" geworden ist, werde ich kurz erklären bzw. anhand von Ausschlusskriterien darstellen. Wichtig ist vielleicht noch zu erwähnen, dass mir tiefe Trennung und Fullrange Betrieb wichtig waren.
Single 15"/Quad 8" unter dem Flare angeordnet:
Ist mir schlicht und ergreifend zu hoch, ich will es kompakt haben. Zudem nutzt es die gesteigerte Designfreiheit im TMT aufgrund der tiefen Trennung zur MT/HT-Einheit nicht wirklich aus.
Single 12" FLH:
Richtig guter Pegel, passende Grenzfrequenz zur Trennung war mit kluger Faltung (ungefähr 50 Revisionen in Akabak) kein Problem. Klanglich sicher auch geil, allerdings ist es quasi unmöglich, die Kiste nach hinten anzuwinkeln bzw. flach zu machen, und das Top wird mir einfach zu groß.
Quad-8er MTM Anordnung mit Bandpass Vorkammer:
Wurde von mir lange verfolgt. Enorme Leistungsdichte möglich, sofern man bereit ist, den Kompromiss in der vertikalen Abstrahlung einzugehen. Ist am Ende am Geld gescheitert: Um eine tiefe Trennung zu ermöglichen, braucht es ordentlich Verschiebevolumen. Der einzige 8er, der in Bezug auf Verschiebevolumen und die Fähigkeit, mit wenig Volumen klarzukommen, in Frage kam, war der 8NTLS2000. Acht Stück davon in Summe sind dann aber doch ziemlich teuer – deswegen ist das Konzept rausgefallen.
Bilder:
Akabak Simu
Simulierter FGang
Simulierte vertikale Abstrahlung
Dann doch Doppel 10"
Am Ende war Doppel 10" der gesunde Kompromiss. Dabei bin ich auf die Idee eigentlich nur durch den 10NDL88 gestoßen. Der Treiber kommt mit wenig Volumen gut klar und ist zudem enorm mechanisch und thermisch belastbar. Der Kennschalldruckpegel ist etwas niedrig, allerdings wird das einfach durch Hass auf Seiten des Amps ausgeglichen – die 3,5" Spule hilft da.
Den Treiber in V-Anordnung unter dem 042 unterzubringen war auch kein Problem. Lediglich eine Tasche in der Seitenwand aus 12 mm MPX wird benötigt, aufgrund des minimal zu groß geratenen Magneten/Antriebs. Außerdem sind im Topteil zwei Ports verbaut, wovon einer mit einer Aluplatte immer abgedeckt wird. So kann man zwischen 60 Hz Fullrange Betrieb und 90 Hz Pegel-Modus switchen. Sicherlich kann man auch beide zumachen und die TMT Sektion für HiFi-Anwendungen bei niedrigem Pegel als URPS zweckentfremden. Ich gehe davon aus, dass die Tuning-Frequenzen nicht zu 100 % stimmen, da die komplette Innengeometrie nicht in Akabak vorhanden ist bzw. nur approximiert wurde.
So wurde schnell eine grobe CAD gebaut und daraus eben ein Mesh für eine Akabak Simulation gemacht, welche rasch aufgesetzt wurde. Es ist vielleicht noch gut er Erwähnen, das sich Akabak bei Chassis mit niedriger Güte gefühlt komplett abschießt, deswegen auch der extreme Buckel in der Simu mit tiefem Tuning, erfahrungsgemäß sieht es in echt dann viel weniger drastisch aus. Ebenso wurde die Simus mit quasi garkeiner Dämpfung an der Wall impedance durchgeführt, deswegen auch das Gezappel und die stehwelle bei 190Hz.
Konstruktion:
Das Ganze wurde dann in eine komplette CAD umgesetzt, dabei werden 3D gedruckte Kantenabrundungen verwendet, um weniger Kantendiffraktion zu erzielen, was in einer saubereren Abstrahlung und akustischen Impedanz im Hochton resultiert. Leider habe ich von B&C noch nicht die CAD Daten der Treiber, und ja, der Stativflansch fehlt noch in der CAD…
Geplant ist es, das Ganze ohne Schrauben bzw. sichtbare Spachtelungen zu bauen/zu verpressen und anschließend zu klarlacken.
Mal gucken, wie gut mir das gelingt – bin schließlich als Sesselfurzer besser darin, Sachen in CAD zu bauen und zu simulieren, als Kisten in der physischen Welt zu bauen.
Sonstiges/Eckdaten:
470mm Breite
286mm Tiefe
706mm Höhe
MT/HT Flare Passiv Beweicht
MT/HT Flare stumpf Linearphasig FIR gefiltert mit minimalphasigem/IIR Hochpass
Hier noch ein Kleiner Fotodump:
Bilder aus der CAD:
Scan:
Also ab in die Werkstatt und den Prototypen bauen, ich glaub ich mach in Zukunft nochmal paar detailreiche Posts zum Entwicklungsprozess => warum ist die Strebe da wo ist, warum ist das so Bedämpft, wie wird das vernünftig Simuliert und so weiter.
Großen Dank nochmal an die Hochschule Düsseldorf für die Nutzung ihres 3D-Scanners, was eine halbwegs brauchbare Integration des 042 in die CAD ermöglicht hat
Grüße aus Aachen,
Sebastian
