Nachdem ich mich die letzten paar Jahre ausschließlich mit NON-MAINSTREAM Projekten, wie meine Lonely.Tapped Horns beschäftigt habe,
habe ich Bock bekommen, das „gewohnte Fahrwasser“ zu verlassen und mich dem Mainstream „etwas anzunähern“.

Bevor ihr glaubt, ich würde anfangen Bassreflex-Projekte rauszuhauen, da gebe ich gleich Entwarnung.

Ich habe zwar schon für den Einen oder anderen Kollegen ein paar BR-Subwoofer simuliert / konstruiert gehabt, aber selber eins veröffentlichen......neee.
Ein Bassreflex Gehäuse ist eine uralte Kunst, die durch und durch erforscht ist. Da sind keine wirklichen Wunder zu erwarten.
Die einzige Entwicklung findet nur noch im Bereich der Herstellung des Chassis selbst statt.
Es wird zwar versucht, sowohl kommerziell (LA KS28) als auch im Selbstbau (plansound-BR-Projekte), mit gewissen stark verrundeten Portgeometrien zu experimentieren. Aber im Endeffekt geht es nur darum, einen möglichst kleinen Port, ohne nennenswertes Port Noise unterzubringen.
Und dafür scheint jeder Aufwand recht zu sein. Was zwar für einen gewissen Aha-Effekt sorgt und für industrielle Fertigung kein Problem ist,
aber für den durchschnittlichen Selbstbauer, ohne eine vollausgestattete Tischlerei im Rücken, dennoch ein Hindernis bzw. Ärgernis darstellt.
Das eigentliche Ziel für pegelfeste Bassreflex Subs ist, einen möglichst großflächigen Port unterzubringen!
Warum machen das nicht alle so?
Ja nun, es gibt keine Wirkung ohne Nebenwirkung!
Je größer die Wirkung, desto größer die Nebenwirkung!
Denn große Ports bringen gleich mehrere Probleme mit sich.
Zum einen werden sie lang, vergrößern das Gehäuse und beanspruchen somit wertvolles Truck Space.
Und zum anderen rutscht die gefährliche Port-Resonanz damit sehr nahe dem eigentlichen Übertragungsbereich eines Subwoofers.
Und die große Kunst beim Konstruieren eines BR-Subs besteht darin, den Port groß genug zu bauen, damit kein Port Noise entsteht,
aber immer noch klein genug, um keine gefährliche Port-Resonanz zu bekommen.
Eine eierlegende Wollmilchsau gibt es also nicht, da das Ganze wie immer kompromissbehaftet ist.
Nichtsdestotrotz hat ein Bassreflex den besten Kompromiss aus Gehäusegröße, Gewicht und Output.
Deshalb hat sich dieses Gehäuseprinzip in der Welt der Beschallung durchgesetzt.
Was für mich völlig verständlich ist!
Warum gehe ich eigentlich darauf ein, wenn die Thematik um den Port ein uralter Hut ist?
Das Thema mit dem großen Port beschäftigt mich schon länger.
Was wäre also, wenn wir gar nicht erst versuchen, die Portreso zu verhindern, sondern sie quasi zum Programm machen ?!

Das einzige Gehäuseprinzip, bei dem die Resonanzen, Reflexionen, Wellenüberlagerungen und Interferenzen, die innerhalb des Gehäuses entstehen
UND diese auch genutzt werden, ist ein Viertelwellenresonator bzw. Transmissionline!
Auch dieses Gehäuseprinzip ist mittlerweile uralt und ebenfalls kompromissbehaftet.
Die üblichen Vorurteile aus den letzten Jahrzehnten sind:
_zu groß, zu schwer
_zu träge im Klang
_der Bass ist zu schwammig, kann nur wummern
_hoch resonant
_höchstens für daheim und auch nur für absolute Tiefbass-Fetischisten.
_für PA also NIX.
Hier sind sich alle einig!
wo es so viel Gegenwind gibt, spornt mich das erst recht an

Mit diesem Projekt hier, wie ich am Anfang schrieb, gehe ich ein Stück auf den Mainstream zu.
Und das tue ich, indem die gewohnte Optik des Bassreflexes erhalten bleibt, aber das Innere komplett ungewohnt und anders ist.
Ob ich damit bei der Leute ankomme, ist wiederum ein Fragezeichen ..... aber erstmal entwickeln und Spaß dabei haben ...

Hier ist mein neustes Projekt, das Lonely.TLS12
Als treibende Kraft im Gehäuse dient diesmal nicht der 12-280/8W, sondern der aus meinem 42Hz-Krawallbruder bekannte Oberton 12B450.
Das ist wieder so ein Kandidat, der dem gängigen Tenor nach, für eine Transmissionline so ganz und gar nicht geeignet ist.
Ein typischer Horntreiber mit einem übelst niedrigen Qts von 0,23.
Sowas würde niemandem im Traum einfallen, eben diesen Treiber in einer TML zu betreiben ........ bis auf mich!

Mit diesem Projekt wollte ich ein Stück denselben Weg einschlagen, den auch Bernd Timmermanns in seiner Hobby Hi-Fi seit Jahren geht.
Und er sagt, dass jeder Treiber, der in einem Bassreflex läuft, kann auch erfolgreich in einer modernen Transmissionline funktionieren.
Mit diesem Projekt hier stelle ich diese Aussage ebenfalls unter Beweis!
Dazu muss ich sagen, dass das zwar mein erstes TML-Projekt ist, das ich veröffentliche, aber nicht mein erstes TML-Projekt überhaupt!
Bereits 2020 habe ich mich intensiv mit einer TML, im speziellen TML-Sub auseinandergesetzt.
Mein ehrgeiziges Ziel war zu erforschen, ob es möglich ist, einen TML-Sub zu konstruieren, der das gleiche Volumen hat bzw. geringfügig größer ist, wie ein vergleichbar abgestimmter BR-Sub.
Das war leider nicht ohne weiteres möglich.

Also musste ich wieder etwas Hirnschmalz investieren und mit ein paar Kniffen war es am Ende doch machbar.
Nach 2 Prototypen, mit jeweils unterschiedlicher Abstimmung mit meinem heißgeliebten Mivoc AW2000, hatte ich genug Erkenntnisse gesammelt,
um beim nächsten Projekt eine Punktlandung zu erzielen.
Leider verblieb diese Idee eine Weile in der Schublade, da ich mich doch sehr stark auf meine Tapped Horns fokussiert habe.
Dieses Projekt hier, dass ich hiermit veröffentliche, ist eine moderne Transmissionline, bei der der Treiber auf 1/3 der Linie platziert ist.
Da es für meine Bedürfnisse besser gepasst hat, habe ich die TML als Mass Loaded Transmission Line konstruiert.
Die Linie wurde mit 3 Abschnitten simuliert und der letzte Abschnitt wurde nicht verjüngt, sondern gerade ausgeführt.
Angepeilte Abstimmung 38-36Hz.
Durch die Bedämpfung sollte die Abstimmung in der Realität ca. 2-3Hz tiefer rutschen.
Diese gewonnene Erkenntnis aus meinen beiden Prototypen, habe ich in dieses Projekt miteinfließen lassen.
Da ich meine Projekte wie gewohnt, völlig transparent veröffentliche, ist hier erstmal die Simulation.
Vorzugsweise natürlich in Hornresp.
Eingabemaske mit den selbstgemessenen TSP vom Oberton 12B450
Wenn ihr jetzt den Frequenzgang betrachtet, dann kriegt bitte kein Schreck!

Eine Transmissionline wird immer bedämpft. Ansonsten ist sie nur wenig genießbar
Deshalb wechselt man in den Loudspeaker Wizard. Jetzt noch den Reiter Filling auswählen
und die Bedämpfungsmengen und deren Position aus dem folgenden Bild eintragen!
das waren so die ungefähren Richtwerte, mit denen ich einigermaßen zufrieden war und die ich anwenden wollte.
Auch sieht man hier bereits das Nettovolumen des Lonely.TLS12 inkl. Chassis und Port wohlgemerkt

diese Abstimmung sollte sich nach dem Bedämpfen einstellen. Wie ich vorher bereits gesagt habe, sollten diese Werte in Echt noch etwas runtergehen.
diese Simus roh vs. bedämpft waren die Ausgangslage für mein Projekt. Gar nicht mal sooooooo schlecht, wie ich finde

Ich nutze den Eingangspost üblicherweise, um alle nötigen Infos über das Projekt bereitzustellen.
Deshalb drehen wir die Uhr etwas weiter und der Prototyp wurde konstruiert und aufgebaut. Auch diesmal in 16mm Spanplatte.
Den finalen Bauplan wird es in 15mm MPX geben. Für die 16mm Holzstärke wird es aber ebenfalls einen Bauplan geben.
Zum Abstimmen mit der Bedämpfung habe ich ausschließlich die Nahfeldmessung genutzt.
Auch hier sieht man, dass eine Simu immer noch eine grobe Annäherung an die Realität abbildet. Die Realität sich aber dennoch geringfügig davon unterscheidet.
Dennoch waren sowohl die Position der Bedämpfung als auch ihre Mengen sehr nah dran.
Leider ist diese Abstimmung sehr zeitintensiv. Also deutlich länger als beim Tapped Horn.
Habe alleine für das Rausfinden der richtigen Bedämpfung ein ganzes Wochenende gebraucht. Und immer hieß es Seitenplatte abschrauben, Bedämpfung rein, raus. Chassis und Port getrennt messen, Messungen zusammen fügen, die Ergebnisse analysieren, die richtigen Schlüsse ziehen und das gleiche noch mal. Und das wieder und immer wieder....
natürlich habe ich auch diverse andere Bedämpfungsmaßnahmen untersucht, die man in der Simu nicht exakt voraussagen konnte.
Aber am Ende habe ich die Bedämpfung und die Wunschabstimmung dahin gebogen, wo ich sie haben wollte!
hier die Ergebnisse meiner Bemühungen. Ist in meinen Augen sensationell nach dran an der Simu.
hier der finale Frequenzgang der Nahfeldmessung. Eine F3 von 33-34Hz ist, wie vorher gesagt, tiefer als simuliert.
hier die Impedanzmessung des fertigen Projektes. Impedanzminimum und Phase 0° liegen bei 37,7Hz
Da ich mich mittlerweile in Sachen Messen massivst weiterentwickelt habe, wie ich kürzlich beim Messen meines Lonely.TH12_mkII beweisen habe.
Siehe Post #14.
So war das für mich Ehrensache dieses Projekt erstmals komplett vollständig gemessen zu veröffentlichen.
Auf Deutsch heißt das, hier kommt eine amtliche, pegelkalibrierte Ground Plane Messung in 2m Abstand, die ja 1m, 2,83V, 1 Watt (Vollraum, Freifeld 4pi) entspricht.
An dieser Stelle möchte ich auf den Grundlagenartikel von Jobsti verweisen.
Groundplane- & Nahfeldmessungen mit Betrachtung von Bafflestep, Raumwinkel & Messabstand - Aus der Praxis
aus dem geht hervor, dass ...
• Mikro auf dem Boden = Spiegelschallquelle entspricht + 6dB.
• Entfernungsverdopplung entspricht - 6dB.
• Eine GPM in 2m entspricht also dem Pegel auf 1m.
Hier der Messaufbau:
Gebrauchter Laptop mit Win 10 und der neusten REW Version.
Abstand 2m (Messradius 10-15m, bis auf den Laptop alles frei)
Messmikro: Umik-1 mit einer original Kalibrierdatei (laut Hersteller miniDSP mit SPL & Frequenzkalibrierung)
Soundkarte: Behringer U-Control UCA222
AmP: China (Ali) stereoamp TPA3116D2 2x100W, mit 24v Netzteil an 230v Haushaltsstrom.
2,83v bei 1000Hz Sinuston mit einem True-RMS-Multimeter eingestellt.
hier Bild vom Aufbau
Zum Zeitpunkt der Messung habe ich mich Selbst stets aus dem Messradius entfernt.
Ein Ripple/ Welligkeit von 1dB halte ich für vertretbar.
Glättung / Smoothing von 1/24dB sollte genügen.
So jetzt zu den Messungen Lonely.TLS12 + Oberton 12B450 [bedämpft], Ground Plane Messung 2m = 1m 2,83v 1Watt [Freifeld Vollraum 4xpi]
um eine Vergleichsgrundlage zu der GPM zu haben, habe ich eine Simu in 4pi erstellt. Hier ist der Vergleich.
Lonely.TLS12 + Oberton 12B450 [bedämpft], rot = GPM 2m [1m, 2,83v, 1Watt] vs. grün Simu 4pi
auch hier sieht man ganz deutlich, dass die Simu und Realität sehr nah beieinander liegen und die Messung, wie versprochen, tiefer geht.
Um eine F3 im Freifeld zu bestimmen, habe ich einen sinnvollen Lowpass bei 110Hz BW, 24dB/Okt. gesetzt. eine F3 von 36,44Hz ist schon ziemlich nice!
zumal sollte es nicht unerwähnt bleiben, dass eine GPM die Aufstellungsvariante Vollraum (4pi) abbbildet.
Sobald ihr den Subwoofer auf den Boden stellt, sprich Halbraumbedingungen (2pi) herrschen, dann gilt eine F3 aus der Nahfeldmessung!
Zu guter Letzt noch eine Trennungsempfehlung von mir! Lowpass 110Hz, 24dB/Okt. BW, Highpass (Lowcut) 30Hz, 24dB/Okt. BW
Ich lasse jetzt mal die Messungen für sich sprechen und gehe somit auch schon zum Fazit über.
Also das Projekt ist so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe.
All das, was ich umsetzen wollte, ist mir im vollen Umfang gelungen.
Lonely.TLS12 macht 40Hz bei vollem Pegel (F0) und die F3 ist im Halbraum bei 34-36Hz.
Es wird die Welt der Selbstbau-Beschallung zwar nicht revolutionieren, aber zumindest etwas aufwerten!
Und ob das TML-Sub-Projekt von der DIY-Gemeinde so angenommen wird, bleibt natürlich abzuwarten!
Ich bin jedenfalls zufrieden, die Selbstbauwelt um ein weiteres Projekt bereichert zu haben.
In diesem Sinne, viel Spaß beim Nachbauen
Feedback und Fragen zum Projekt jeglicher Art sind ausdrücklich erwünscht!
Den detaillierten Baufortschritt werde ich auch diesmal sparsam dosiert liefern.
Was aber nicht zuletzt daran liegt, dass ich nicht immer die gleichen Grundlagen und Erklärungen predigen möchte.
Ich habe bereits reichlich TH-Projekte veröffentlicht.
Wenn man sie alle verfolgt, dann sind die wiederholenden Basics-Erklärungen mehr als überflüssig!

Die komplette Reihenfolge des Zusammenbaus werdet ihr auch diesmal detailliert und zusammengefasst, in einer PDF-Datei der Baumappe beiliegend vorfinden.
Wie immer gibt es auch einen Parallel-Thread im HiFi-Forum!
Gruß Viktor

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Baumappe Lonely.TLS12 [german]
Construction folder Lonely.TLS12 [english]
Baumappe Lonely.TLS12 [german] 16mm